Zwischenhalt

Als Kolumne erschienen in der Berner Zeitung, 5. Januar 2013, S. 14

Auf die schalkhafte Frage seines Vaters, was ich in der nächsten Kolumne schreiben könnte, meinte mein sechsjähriger Göttibueb ohne Zögern: «Dass Papa das WC verstopft hat!» Doch ein Freund fand, anfangs Jahr lägen Sätze mit etwas Pathos drin, eher etwas Gewichtiges also. Aber was? Geprägt wird der Alltag durch Probleme, wie sie mein Göttibueb ansprach: die defekte Waschmaschine, der grausam langweilige Autofahrer vor mir, der verlorene Schlüssel, das vor der Nase abfahrende Tram, die sich im Laden vordrängende Zicke, die Leute, die ich am Telefon nicht erreichen kann. Und jene mühsame Dinge mehr. Aber auch: die grossartige Bedienung in der Bäckerei Stalder in Muri, der Mitmensch, der zu einer Lösung Hand bietet, obwohl ich einen Fehler gemacht habe, die riesige Forsythie am Aargauerstalden, die mich im Frühling erfreut, ein spontanes Lächeln. Und jene erfreuliche Dinge mehr. Doch was ist mir neben all diesen Dingen wirklich wichtig?

Meine Familie ist mir wichtig, ihr Wohlergehen und unser Verhältnis untereinander. Die Offenheit, gemeinsam Anderes und Neues zu entdecken und auszutauschen, zusammen älter und erfahrener zu werden, Freuden und Schwierigkeiten zu teilen. Und einfach immer füreinander da zu sein.

Unser Unternehmen und der Erhalt der Arbeitsplätze sind mir wichtig. Je mehr Menschen in der Gesellschaft eine Arbeit haben, desto stabiler die Demokratie, höher die Achtung der Umwelt, besser die Ausbildung, umfangreicher die Infrastruktur, grösser die Hilfe an Schwache und vielfältiger das kulturelle Leben. Hierzu will ich zusammen mit unseren Mitarbeitenden einen Beitrag leisten, im Bewusstsein der Grenzen und Risiken, die jede unternehmerische Tätigkeit in sich birgt.

Der Blick aufs Ganze und die Beachtung der Vielfalt des Lebens sind mir wichtig. Das zeigt sich im Verständnis, dass wir alle Teil eines grossen, komplexen Ganzen sind, in dem wir nicht alles wissen und steuern können, in dem Zusammenarbeit vor Eigeninteressen steht, in dem ich als Unternehmer die vielfältigen Anforderungen, die sich unseren Mitarbeitenden im privaten und beruflichen Alltag stellen, berücksichtigen muss. Im Blick aufs Ganze liegt mein Wille begründet, über die Familie und das Unternehmen hinaus einen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten, von der ich profitiere.

Die Schweiz ist mir wichtig. Uns geht es so gut, dass wir drohen, gleichgültig zu werden. Doch wir müssen zu unserer Demokratie und unserer Lebensqualität täglich Sorge tragen; jede Wahl, jede Abstimmung bietet dazu Gelegenheit. Wir dürfen gesellschaftlich relevante Lügen nicht mehr zulassen, so das Bankgeheimnis, das Betrüger schützt, die Briefkastenfirmen, deren Inhaber wir nicht kennen wollen, Unternehmen, die im Ausland die minimalsten, internationalen Standards an Arbeitsbedingungen und Umweltschutz missachten, Sportverbände, die für ihr korruptes Verhalten nicht zur Rechenschaft gezogen werden, steigende Staatsausgaben, die wir uns nicht mehr leisten können, die Schweiz als geschützte Insel zu betrachten, und die Politiker im Kanton Bern, die für ihre Region und ihre Klientel, nicht aber für den ganzen Kanton einstehen.

Für das, was wichtig ist, lohnt es sich leidenschaftlich und mit langem Atem einzusetzen. Das werde ich auch 2013 tun.

Über pstaempfli

Unternehmer mit besonderem Interesse für Unternehmenskultur und Unternehmens- und Verbandskommunikation. Mitinhaber von Stämpfli Gruppe Bern: Auch bei Fokus Bern zu finden:
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3 Antworten zu Zwischenhalt

  1. Hans Stalder schreibt:

    Lieber Peter, dass Du in allen Dir wichtigen Punkte entsprechend agieren kannst, braucht es Mut, Durchhaltewille, Humor und auch eine gute Gesundheit. Von allem die richtige Portion, das wünsche ich Dir im neuen Jahr. Herzliche Grüsse Hans

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  2. seminym schreibt:

    Mir sind ja gerade die langweiligen Autofahrer am liebsten. Ich mag Raserspielchen, Überholmaneuver via Trottoir oder so wahnsinnig spannende Frontalkollisionen einfach nicht besonders. Aber die Geschmäcker sind halt verschieden.

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  3. tigracc schreibt:

    Ich wünsch‘ dir ein frohes, gesundes und erfolgreiches Jahr, Peter!

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