Alle wollen Medienvielfalt. Wen ich auch frage, Medienvielfalt wird gewünscht, gefordert, für die Demokratie als wichtig bezeichnet und bisweilen als dringend erachtet. Kaum jemand nutzt mehr als zwei Medien, doch besteht Einigkeit, wie sehr es eine Vielzahl von Medien braucht, die inhaltlich unabhängig sind. Doch viel zu wenige wollen die Medienvielfacht bezahlen.
So ziemlich alle wollen verlässliche, gut recherchierte Informationen in Echtzeit. Das widerspricht sich zwar, da Schnelligkeit und Qualität selten vereinbar sind, doch die grossen Medienhäuser versuchen es trotzdem — mit gemischtem Erfolg. Aber immerhin, die Informationen sind erhältlich, wir sind rund um die Uhr versorgt. Doch Qualität im Journalismus bedeutet, Informationen zu hinterfragen, Fake von Echtem zu unterscheiden, Fehlendes zu ergänzen, Zusammenhänge zu ergründen und Menschen zu Wort kommen zu lassen. Das braucht Zeit, damit mehr als süffige Schlagzeilen entstehen. Doch viel zu wenige wollen die Qualität bezahlen.
Viele möchten besonders digitale Medien ohne die als lästig empfundene Werbung konsumieren. Den Ausfall, der dies verursacht, wollen nur wenige bezahlen.
Obwohl alle Untersuchungen zum selben Schluss kommen, dass nämlich gedruckte Werbung deutlich besser wahrgenommen wird als elektronische, nehmen die Werbeinnahmen in den gedruckten Medien stetig ab. Es sei zu teuer, ist die schlecht begründete Behauptung von Anzeigenkunden.
So kommt es, dass alle Medienvielfalt wollen, aber vor allem die regionalen Titel trotzdem am Existenzrand laufen. Wollen wir unabhängige Medien wie den Anzeiger Region Bern, das Online-Medium ‹Hauptstadt›, die Plattform J und schweizweit weitere Regionalmedien aufrechterhalten, wollen wir zusätzlich zu wichtigen Titeln wie Berner Zeitung, Bund, NZZ und den anderen überregionalen Titeln eine lebendige Medienvielfalt, so muss uns das etwas wert sein. Dann müssen wir das bezahlen. Es ist wie mit dem Essen: Gesunde, nachhaltig produzierte Nahrungsmittel haben ihren Preis. Wer erwartet, dass Essen einfach nur billig sein muss, erhält entsprechende Qualität. Auch Medienvielfalt gibt es nicht gratis.
Was Google anbietet, ist nicht Medienvielfalt, sondern eine Zusammenstellung, was Medienhersteller leisten. Das ist für die Nutzerinnen und Nutzer zwar bequem, aber etwa so fein und nachhaltig, wie Billigtomaten an Weihnachten. Google leistet selbst nichts, ausser der Aushöhlung derjenigen, die Informationen tatsächlich erarbeiten, erforschen, zusammensuchen, beurteilen und für uns aufbereiten.
So wie gesunde Nahrung für unseren Körper wichtig ist, ist Qualitätsjournalismus und Medienvielfalt wichtig für unsere Demokratie und die Gesellschaft insgesamt.
Was ist das Ihnen wert? Mehr als gratis?
Erstmals erschienen in Anzeiger Region Bern, 17.09.2024
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Zu meinen Interessen: Diese Kolumne ist mit den Herausgebern des Anzeiger Region Bern nicht abgesprochen. Sie beinhaltet meine persönliche Meinung und drückt die Sorge für die aktuelle Situation der Medien aus, die auch in meiner Tätigkeit als Vorstandsmitglied des Vereins für Berner Medienvielfalt, der die ‹Hauptstadt› herausgibt, gründet.