Weshalb ich gegen «1:12» bin

Wie bei den allermeisten Unternehmen in der Schweiz bewegen sich die Löhne in der Stämpfli Gruppe problemlos innerhalb eines Verhältnisses von 1:12. Mein Lohn ist 5 Mal höher als der tiefste Lohn im Unternehmen. Trotzdem bin ich aus vielen Gründen gegen diese Initiative, die Probleme verdrängt, statt sie zu lösen, und die uns Bürger und Bürgerinnen aus der Verantwortung nimmt.

Nicht die Löhne sind das Problem, sondern die Verantwortungslosigkeit

Weshalb werden die Löhne von Roger Federer und anderen Vielverdiener im Sport nicht angeprangert? Weshalb wird mit «1:12» nur auf die Manager gezielt? Weil der Ärger vieler sich eigentlich nicht am Lohn, sondern an der Verantwortungslosigkeit von Managern wie Marcel Ospel, Daniel Vasella & Co. richtet. Die Verantwortungslosigkeit wird mit «1:12» aber nicht beseitigt, nicht abgestraft und in keiner Weise verändert.

1:12 senkt alle Löhne in den betroffenen Unternehmen

Sinken die hohen Managerlöhne, drückt das alle anderen Löhne in den  Unternehmen und in der ganzen Volkswirtschaft. Die Kaufkraft wird geschwächt.

Die Hoffnung auf Umverteilung der hohen Löhne ist eine Utopie. Die Initiative sieht keine Umverlagerung der Löhne vor. Eine solche wird von den Befürwortern suggeriert, um der Initiative Auftrieb zu geben. Keine generellen Lohnerhöhungen, sondern Lohnsenkungen werden wir erleben: Wenn ein CEO-Lohn gekürzt wird, werden auch die anderen Löhne sinken, um innerhalb der Unternehmen die Lohndifferenzierung wieder herzustellen.

Massiver Steuerausfall trifft alle

Im Durchschnitt bezahlt jeder und jede Steuerpflichtige im Kanton Bern 5000 Franken Steuern. Hat jemand aber ein steuerbares Einkommen von einer Million, so bezahlt er im Kanton Bern zirka 400‘000 Franken Steuern. Sinkt sein/ihr Einkommen wegen «1:12» auf 600‘000, so entspricht dies einem Steuerausfall von 160‘000 Franken. Um dies zu kompensieren, müssen zirka 30 durchschnittliche Steuerzahlende neu in den Kanton kommen. Das ist nicht realistisch.

«1:12» führt zu massiven Steuerausfällen, die alle Bürgerinnen und Bürger treffen werden.

Die Schweizer Sozialpartnerschaft hat sich bewährt

Die Sozialpartnerschaft ist einer der Gründe, dass die Schweiz so wohlhabend geworden ist. Dazu gilt es Sorge zu tragen. Die Sozialpartnerschaft ist das Modell mündiger Menschen, die auf gleicher Augenhöhe Lösungen finden. «1:12» und die Mindestlohninitiative übergeben dem Staat die Verantwortung der Lohnkontrolle und durchbrechen damit das bewährte Modell Sozialpartnerschaft.

«1:12» ist ein Paradigmenwechsel mit sehr weitreichenden Folgen, der die einzelnen Bürgerinnen und Bürger aus der Eigenverantwortung nimmt.

Eigenverantwortung vor Staatsverantwortung

Ich stelle fest, dass immer mehr Menschen ihre Eigenverantwortung an den Staat abschieben wollen. Das ist ein Holzweg. Wer unzufrieden ist, muss sich persönlich beim Arbeitgeber oder bei einer Gewerkschaft für Verbesserungen engagieren. Das gibt allerdings zu tun, davor scheuen sich die meisten. Das zeigt sich im Mitgliederschwund der Gewerkschaften.

Bei uns in der Stämpfli Gruppe leben wir diese Eigenverantwortung und Arbeitgeber und Arbeitnehmer profitieren von einem aktiven und guten Dialog. Die Eigenverantwortung an den Staat abzuschieben, schwächt diesen Dialog, und führt zu einer Form der Unmündigkeit, die zum Scheitern verurteilt ist.

Neue Wirtschaftsordnung

Es ist richtig, dass wir uns intensive Gedanken zur Zukunft der Wirtschaftsordnung machen. Tatsächlich müssen wir unser Wirtschaftssystem weiterentwickeln und die Lehren aus den negativen Seiten des Kapitalismus ziehen. Das erreichen wir aber nicht durch zufällige einzelne staatliche Verordnungen wie «1:12», die erst noch ohne Eigenverantwortung und ohne jeden Zusammenhang zu einer grösseren, nachhaltigen Ordnung umgesetzt werden.

Mit 1:12 wird auch die Stämpfli Gruppe Kunden verlieren 

Und schliesslich bin ich besorgt, dass wir in unserem Unternehmen wichtige Kunden verlieren, die wegen der 1:12 Initiative relevante und wichtige Unternehmensteile und die damit verbundenen Aufträge ins Ausland verlagern. Das wird nicht sofort nach Annahme der Initiative geschehen, sondern schleichend über wenige Jahre. Das erschwert die an sich schon sehr anspruchsvolle Marktsituation zusätzlich. Ein Alleingang der Schweiz hat fatale Folgen.

Über pstaempfli

Unternehmer mit besonderem Interesse für Unternehmenskultur und Unternehmens- und Verbandskommunikation. Mitinhaber von Stämpfli Gruppe Bern: Auch bei Fokus Bern zu finden:
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11 Antworten zu Weshalb ich gegen «1:12» bin

  1. Andi Huggel schreibt:

    Mit Überzeugung stimme ich Deinen Zeilen zu. Ich bin sehr affin für soziale Themen und Gleichberechtigung, die in Sachen Lohn übrigens meiner Meinung nach ein wirklich wesentliches Thema ist. Doch diese Initiative stimmt von A(nsatz) bis Z(iel) nicht.
    Zudem hoffe ich, dass die in den Medien präsenten Gegner endlich auch klare, verständliche und logische Worte für die Bekämpfung der Initiative finden.

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  2. Samuel Rüegger schreibt:

    Ich kann mich Ihrer Argumentation leider nicht anschliessen:

    „Nicht die Löhne sind das Problem, sondern die Verantwortungslosigkeit“

    Stimmt so leider nicht. Mindestens wirtschaftlich gesehen, sind diese extrem hohen Löhne ein Problem. Während normale Löhne, direkt in den Konsum und dadurch in die Wirtschaft fliessen, ist das bei sehr hohen Löhne leider nicht der Fall. Sie werden nicht mal in wieder in Unternehmen investiert sondern landen in Spekulationen, weit weg von der Realwirtschaft in der wir uns bewegen.

    „1:12 senkt alle Löhne in den betroffenen Unternehmen“

    Wiso? Während mein Lohn, und die Löhne vieler andere Personen Leistungsbezogen sind. Sind es Kader Löhne nicht mehr. Das höhere Kader in Banken aber auch z.B. bei Swisscom haben nicht mehr mit Leistung zu tun. Diese Löhne sind Ideologiebedingt – dadurch sollte mit den normalen Löhne gar nichts passieren, wenn diese sinken.

    „Massiver Steuerausfall trifft alle“

    Ihre Rechnung die sie hier anstellen ist wirklich schön :). Alle die über eine Million verdienen sind nicht in einer 1:12 Lohnspanne, bin gespannt wie sie das belegen wollen? Was genau bei einer Annahme passiert wissen weder Sie noch ich. Wenn nur ein Teil der Lohnsumme umverteilt wird, gibt es Dank der Progression mehr Einnahmen. Ein einfacher Offsetdrucker in Ihrem Unternehmen kann auch nicht so einfach in den Kanton Zug ziehen um Steuern zu sparen ;). Selbst wenn die Lohnsumme nicht umverteilt wird, hat ein Unternehmen mehr Gewinn, was über die Gewinnsteuer wieder kompensiert wird, etc. Das ganze ist um einiges komplexer als Sie es hier darstellen.

    „Die Schweizer Sozialpartnerschaft hat sich bewährt“

    Es gibt heute noch Arbeitgeberverbände die sich absolut weigern, an eine Sozialpartnerschaft nur zu denken. Die Sozialpartnerschaft bewährt sich teilweise – aber nicht quer durchs Band. Ausserdem werden in (soweit ich weiss) allen GAV keine Regelungen für Kader Löhne getroffen – 1:12 tangiert die Sozialpartnerschaft überhaupt nicht.

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    • pstaempfli schreibt:

      „Verantwortung als Problem“
      Wer verantwortungslos handeln will, z.B. mit exorbitanten Löhnen, wird dies auch nach 1:12 machen. Mittel und Wege finden solche Leute immer.
      Weshalb stören die Löhne von Roger Federer, der Fussballer und Rennfahrer nicht? Wieso stören nur die Löhne der Manager? Weil die Verantwortungslosigkeit einzelner Manager stört, weil ein Ospel nicht zur Rechenschaft gezogen wird etc.

      „Lohnsenkungen“
      Von 1:12 sind nicht nur Grosskonzerne betroffen. Wer heute 900’000 verdient, würde mit 1:12 auf zirka 600’000 sinken (4000x12x12). Die GL-Löhne, die auf vielleicht 600’000 waren, sinken dann auch, weil gesellschaftlich kaum akzeptiert wird, dass der CEO gleichviel wie seine Unterstellten bekommt. Und so zieht sich das quer durchs Unternehmen, namentlich mit Lohnsenkungen für die Kaderlöhne.

      „Steuerausfall“
      Bei 4000 Minimallohn kommt der höchste Lohn im Unternehmen auf max. 580’000 zu liegen. Wer mehr hat, muss sich den Lohn kürzen. Wer heute also 1 Mio verdient, kann sich nur noch um die 600’000 ausbezahlen lassen.
      Z.B. Kanton Bern. Wer 1 Mio. Einkommen versteuert bezahlt 450’000 Steuern. Wer 580’000 versteuert bezahlt 260’000 Steuern, also 190’000 Franken weniger.
      Der Grenzsteuersatz bei den sehr hohen Einkommen beträgt von 45%.
      Wenn die Unternehmensgewinne steigen, werden diese aber max. zu 25% versteuert, in vielen Kantonen zu deutlich weniger.
      Wenn die Mitarbeitenden mehr Lohn erhalten, werden diese zu wesentlich tieferen Grenzsteuersätzen als 45% versteuert, die Progression greift erst bei hohen Löhnen voll.
      Wie auch immer der Lohn umverteilt wird, es resultieren weniger steuern, was die Uni St. Gallen bereits eindrücklich aufgezeigt hat.
      Aber wer sagt, dass die hohen Löhne auf die niederen umverteilt werden? Davon steht nichts im Initiativtext.

      „Sozialpartnerschaft“
      Sinnvoll ist es, den GAV gesetzlich in allen Branchen durchzusetzen. Die von Ihnen erwähnte Verweigerung stört auch mich.
      Die Sozialpartnerschaft mit geregelten, verlässlichen Bedingungen und dem Arbeitsfrieden ist die eigentliche Basis für den wirtschaftlichen Erfolg in der Schweiz. Gegenbeispiele sehen wir in Frankreich, Italien oder Spanien.
      Ja, in den GAV werden bisher keine max. Löhne geregelt, aber das ist genau der Punkt: Weshalb nehmen sich die Gewerkschaften dies nicht zum Ziel? Genau solches haben früher starke Gewerkschaften gemacht. Aber heute sind sich die meisten Arbeitnehmer zu schade, sich in Gewerkschaften zu engagieren oder zumindest zu solidarisieren. Einfacher ist es, aussen zu stehen und den Staat machen zu lassen, dann hat man sicher keine Verantwortung für irgendetwas.
      1:12 und die Mindestlohninitiative tangieren die Sozialpartnerschaft daher, weil wesentliche Lohnverhandlungen vom GAV in die Verfassung bzw. ins Gesetz verschoben werden. Damit gilt dann für alle Schweizer dasselbe, gleichgültig welche Branche, welcher geografische Ort, welche Ausbildung.

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  3. This Bürge schreibt:

    Die neue 1:12-Regel ist nötig, weil Lohnexzesse als Nebenwirkung der staatlichen Einmischung in die freie Marktwirtschaft – wiederum staatlich – zu bekämpfen sind. Es ist tatsächlich ein Teufelskreis, der zu immer mehr Staat führt.

    Grundsätzlich ist gegen hohe Einkommen nichts einzuwenden, wenn sie aus eigener Kraft erfolgen (wie z.B. bei Roger Federer; die Roger-Federer-Foundation mal ausgeklammert). Hier greift, wie bei allen Alleininhabern, die 1:12-Regel auch nicht, denn wie sich das hohe Einkommen aus Lohn oder Gewinn zusammensetzt ist frei wählbar. Probleme mit der Mischung aus Lohn und Gewinn mit der 1:12-Lohn-Regel haben Firmen mit mehreren Eigentümern, die unterschiedlich für das Unternehmen tätig sind (wie z.B. Peter Spuhler).

    Wer aber als Angestellter (CEO) in ein gemachtes Nest sitzt und kein anderes Risiko trägt, ausser wieder aus dem Nest geworfen zu werden, verdient nicht so viel. Zweitens müssen Gewinne höher besteuert werden als Lohneinkommen.

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    • pstaempfli schreibt:

      Werden die Gewinne noch höher besteuert, dann fehlt Geld bei den Investitionen. Gerade die Familienunternehmen trifft die Gewinnsteuer fundamental. Und man bedenke, dass wer sein Vermögen in einem Unternehmen hat und schon nur eine gemässigte Verzinsung erwartet, dies nur durch die Gewinnausschüttung, also Dividenden machen kann. Jeder Franken, der als Gewinn ausgeschüttet wird, wird schlussendlich mit über 60% versteuert. Das scheint mir hoch genug. Zu hoch.

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  4. Stephan Amacker schreibt:

    Beginnt man die Wirtschaft so zu steuern, wäre eine weitere logische Konsequez, dass niemand mehr Steuern zahlen soll, als das 12 fache desjenigen, der am wenigsten Steuren zahlt. Ha, Ha!

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  5. Titus schreibt:

    Ich nehme einmal den Aspekt der Verantwortungslosigkeit auf und frage mich: Wer unternimmt dagegen etwas?

    Hat denn irgendein Wirtschaftsverband oder irgendein Arbeitgeberverband schon je einmal etwas gegen die besagte Verantwortungslosigkeit auf Manager-Ebene unternommen, sodass wir gar nicht erst über Volksinitiativen wegen Lohnexzessen diskutieren bzw. abstimmen müssen?

    Haben derartige Verbände denn noch nicht gelernt, dass wenn sie nicht selber das Heft in die Hand nehmen (sprich: Verantwortung zu einem Thema übernehmen), es andere für sie tun, es dann also zu vermeintlich „staatlichen Eingriffen“ kommt, gegen welche die gleichen Verbände anschliessend wieder wettern können?

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    • pstaempfli schreibt:

      Gerade aus dem Arbeitgeberverband kamen früh, früher als von den meisten Politikern, eindringliche warnende und Mahnende Rufe und Forderungen an die Adresse der Manager, die jede Grenze des Anstands überschritten haben. So betrachtet haben Wirtschaftsverbände sehr wohl reagiert.
      Aber: Das ist nun nicht einfach nur Aufgabe der Arbeitgeberverbände. Es ist eine Aufgabe von Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften zusammen, entsprechenden Druck aufzubauen. Das wäre möglich, aber es gibt halt mehr zu tun, als die Aufgabe dem Staat abzuschieben.

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  6. Titus schreibt:

    Seit Jahrzehnten kämpfen die Gewerkschaften für gleiche Löhne bei gleicher Arbeit, also für eine vollständige Gleichstellung von Mann und Frau in Sachen Entlöhnung. Was ist so schwierig daran, diesem Verfassungsartikel (!) nachzukommen? Warum gibt es noch immer Lohnunterschiede, welche sich nicht rational erklären lassen? Und lässt sich der ausbleibende Aufstand der Betroffenen mit Resignation erklären?

    Was ich damit sagen will, ist, dass die Gewerkschaften offensichtlich schon für verfassungsmässig gesicherte Rechte noch immer auf taube Ohren stossen. Ist es unter dieser Voraussetzung realistisch zu glauben, die Gewerkschaften könnten Druck auf die Arbeitgeber ausüben, damit diese ihren Managern Verantwortung ein- und exzessive Löhne ausreden? Die bekommen doch die gleichen Antworten zu hören wie die Aktionäre: Man verstehe zwar die Aufregung, stehe aber unter internationalem (Lohn-)Druck…

    Man könnte den Spiess aber auch umdrehen: Statt Arbeitgeber quasi gesetzlich zu tadeln, wäre es wohl sinnvoller, sie auf privater Basis zu loben, wenn sie ein besonders verantwortungsvolles Management haben. Für Kunden als auch für potentielle Arbeitnehmende wäre es doch noch ganz gut, z. B. anhand eines internationalen Labels erkennen zu können, dass die Stämpfli Gruppe ein verantwortungsvolles Management hat…

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    • pstaempfli schreibt:

      Ein solches Label liesse sich machen, ich selber strebe nicht danach, uns ist die verantwortungsvolle Führung selbstverständlich.

      Die Gewerkschaften könnten sehr viel erreichen, wenn sie auf die Unterstützung von deutlich mehr Mitgliedern als heute zählen könnte.

      Die Gleichstellung ist wesentlich und sollte selbstverständlich sein. Aufgrund eigener Berechnungen und dem Kennenlernen der eingesetzten Software Logib hege ich erhebliche Zweifel daran, dass die Berechnungen richtig sind und dass die immer wieder genannten diskriminierenden Differenzen stimmen. Die Universität Genf rechnet vor, dass der Diskriminierende Teil der Lohndifferenz zirka 2-3% betrage. Das ist zwar noch nicht wirklich gleich, aber entspricht eben nicht den immer wieder genannten 18%, die weit mehr beinhaltet als der diskriminierende Anteil.

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