Die 13. Augenwischerei

Ich komme diesen Sommer ins Rentenalter. Sollte die Initiative für eine 13. AHV-Rente angenommen werden, nehme ich die zusätzlichen 2450 Franken gerne. Ich bin allerdings in der glücklichen finanziellen Lage, dass ich dieses Geld eigentlich gar nicht benötige. 56 Prozent der Pensionierten geht es gemäss einer Studie des Bundes wie mir. Sie geben an, mit ihrer finanziellen Lage sehr zufrieden zu sein. Das geht nicht allen so. Drei Prozent der Pensionierten beziehen Ergänzungsleistungen, um über die Runden zu kommen. Weitere haben gerade so viel Einkommen, dass sie knapp keinen Anspruch auf Ergänzungsleistungen haben. Diese Zahlen zeigen: Von genereller Altersarmut kann keine Rede sein. Trotzdem, den Menschen, die mit ihrer Rente kaum durchs Jahr kommen, muss mit zusätzlichen Geldern geholfen werden. Zu ihnen gehöre ich und mehr als die Hälfte der Pensionierten nicht. Und doch würden wir alle die 13. Rente erhalten, obwohl wir sie nicht benötigen. Und obwohl die Einkommensschwächsten mehr benötigen würden. Das finde ich nicht sonderlich sozial, umso mehr, als die Initiative weitere Ungleichheit bringt. Ich würde eine unnötige zusätzliche Maximalrente von 2450 Franken erhalten, die Einkommensschwachen eine Minimalrente von 1225. Ich erhielte also doppelt so viel, obwohl ich das Geld nicht benötige. Einige derer, die Ergänzungsleistungen erhalten, würden dazu noch bestraft werden. Es sind die, die «dank» der 13. Rente knapp so viel mehr Einkommen haben, dass sie gerade keine Ergänzungsleistungen mehr erhalten werden, dafür aber die 13. Rente versteuern müssen; Ergänzungsleistungen sind im Gegensatz zur AHV steuerfrei.

Die 13. Rente wird uns fünf Milliarden (5000 Millionen) pro Jahr kosten. Davon gehen ungefähr zwei Drittel an Pensionierte, die die Rente nicht benötigen. Der kleinste Teil geht an die, für die das zusätzliche Geld wichtig ist, und die eigentlich noch mehr benötigen würden. Wer finanziert die fünf Milliarden Franken? Angedacht ist eine Erhöhung der Mehrwertsteuer oder der Lohnabzüge. Das wird wiederum die Einkommensschwächsten besonders treffen, denn ein oder zwei Prozent weniger Lohn oder höhere Kosten ist für sie und den Mittelstand deutlich schmerzhafter als für die Einkommensstarken. Bezahlen für die zusätzliche Rente werden vor allem die Jungen, die erst noch knapper bei Kasse sind als die Pensionierten.

Sozial gerecht, wie dies die Initianten behaupten, ist diese Initiative also in keiner Weise. Im Gegenteil kostet sie Unsummen dort, wo keine Hilfe nötig ist. Sie verhindert dort, wo mehr Hilfe zwingend ist, diese im nötigen Ausmass leisten zu können. Richtig wäre, die Ergänzungsleistungen deutlich zu erhöhen, also zusätzliche Gelder gezielt denen zu geben, die darauf angewiesen sind. Ein Nein zur 13. Rente verhindert, riesige Geldsummen sinnlos auszugeben. Ein Nein ermöglicht, neue Lösungen zu finden, um denen zu helfen, denen geholfen werden muss.

Diese Kolumne erschien erstmals im Anzeiger Region Bern, 7. Februar 2024

Über pstaempfli

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3 Antworten zu Die 13. Augenwischerei

  1. Lori Schüpbach schreibt:

    Dass Problem ist, dass die gleichen, die jetzt die 13. AHV-Rente bekämpfen, auch mitverantwortlich dafür sind, dass bei einer tatsächlich besseren Lösung – wie von dir vorgeschlagen – nicht vorwärts gemacht wird. Ich zähle dich nicht zu diesen „gleichen“. Aber leider ist es tatsächlich so, dass ein sinnvoller Gegnvorschlag oder eine bessere Lösung längst hätte umgesetzt werden können… Wenn – ja, wenn die bremsenden Kräfte nicht wären.

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    • pstaempfli schreibt:

      Das sehe ich gleich. Einmal mehr hat etwas Gescheites nicht sein dürfen. Doch nun sind Vorlagen im Parlament, um die Ergänzungsleistungen zu erhöhen. Ein neuer Anlauf finde ich besser als 3.5 Mrd an Leute zu verteilen, die sie gar nicht brauchen.

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      • Lori Schuepbach schreibt:

        Ich hoffe, dass du Recht behältst, falls die Vorlage tatsächlich noch abgelehnt wird. Und dass diese Vorlagen dann auch wirklich in nützlicher Frist umgesetzt werden… wie sagte doch Goethe: allein, mir fehlt der Glaube…

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