1:12 – auf den ersten Blick verlockend, auf den zweiten Blick fatal

Daniel Eckmann äussert sich hier in einer Gastkolumne zu 1:12. Danke, für diesen Beitrag, den ich hier publizieren darf. Daniel Eckmann ist Jurist und Partner des Beratungsunternehmens Klaus-Metzler-Eckmann. Zuvor war er Stellvertretender SRG-Generaldirektor und Berater von Bundesrat Kaspar Villiger.
 

Ich habe noch nie mehr als zwölf Mal mehr verdient als wer je für mich gearbeitet hat. Es wird auch nie soweit kommen. Also habe ich mir Fragen zur Initiative gestellt.

Fragen…

Ist die Tatsache, dass ich selber nie soviel verdienen werde, wirklich ein Grund, Spitzenlöhne per Bundesverfassung sogar dort zu verbieten, wo sie gerechtfertigt sind? Für alle Branchen, egal wie spezialisiert sie sind? Für alle Märkte, egal ob ein Unternehmen national tätig ist oder bis nach China oder Brasilien? Für jede Gattung, egal ob Handwerk, Hightech, Gehirnchirurgie oder Exportindustrie? Kann man Betriebe mit zehn und mit vierzigtausend Arbeitsplätzen wirklich über den gleichen Kamm scheren? Ist es realistisch zu glauben, dass weltweit umworbene Spezialisten für 500’000 Franken in der Schweiz bleiben, wenn ihnen Auslandfirmen zwei oder drei Millionen Franken im Jahr bieten? Wem nützt es, wenn solche Topkräfte bei der internationalen Konkurrenz arbeiten, statt bei uns?

…über Fragen

Wem nützt es, wenn Arbeitnehmer nicht mehr wählen dürfen, ob sie lieber bei einem weltweit erfolgreichen Grossunternehmen arbeiten wollen, dessen Chefs zwar sehr viel verdienen, die ihnen aber auch einmalige Perspektiven bieten? Muss der Staat solche Arbeitskräfte bevormunden und vor Perspektiven schützen? Ist das vernünftig, ist es klug?

Die Folgen würden alle treffen

Die 1:12-Initiative nützt niemandem, denn nach unten umverteilt wird gar nichts, das fordert nicht einmal der Initiativtext. Zwar wecken die Initianten diese Illusion, aber sie ist nachweisbar falsch. Hingegen schadet sie letztlich einzelnen Unternehmern, die sichere, innovative und attraktive Arbeitsplätze bieten. Sie benachteiligt Unternehmen, die sonst nicht mehr gleiche Spiesse haben, wie ihre ausländischen Widersacher auf dem Weltmarkt. Gerne spielt man die KMU gegen die „bösen“ Grosskonzerne aus und vergisst leicht, dass viele KMU auf Aufträge der Grossen angewiesen sind. Somit würde ein 1:12-Regime auch die Kleinen treffen.

…und niemand hätte etwas davon

Die Initiative 1:12 nützt also niemandem. Keiner Arbeitnehmerin geht es besser, wenn die Schweiz, und nur die Schweiz (!) Regeln in die Verfassung schreibt, die es auf der ganzen Welt nirgends gibt und die uns im Wettbewerb benachteiligen. Und keinem Arbeitnehmer geht es besser, wenn unsere Unternehmen nicht mehr fit für den Weltmarkt sind. Keiner Steuerzahlerin ist gedient, wenn die besten Steuerzahler zwangsweise massiv weniger Steuern zahlen und wenn so Löcher in die Steuer-, AHV- und Gemeindekassen gerissen werden. Und keinem Steuerzahler ist gedient, wenn er plötzlich merkt, dass er nicht etwa mehr verdient, sondern sogar mehr Steuern zahlen muss, nur weil eine Initiative angenommen wurde, die zwar gut tönt, aber nichts bringt. Kurz: Die Initiative nützt nichts; sie schadet letztlich allen.

Deshalb sage ich Nein

Die Geschichte lehrt uns, dass Staatswirtschaft noch nie gut geendet hat. Der Erfolgsausweis der Schweiz belegt, dass es uns genau deshalb besser geht als allen Ländern ringsum, weil wir ein Klima haben, das Unternehmergeist, harte Arbeit und Innovation auf allen Stufen belohnt und nicht hemmt. Und die Erfahrung lehrt uns auch, dass bis auf ganz wenige (zwar medienaktive, aber nicht allgemein gültige) Ausnahmen die Patrons dem Vertrauen und der Verantwortung gerecht werden und in unserem kleinen Land zusammen mit den Sozialpartnern Arbeitsbedingungen geschaffen haben, um die uns die ganze Welt beneidet. Das will ich nicht aufs Spiel setzen, deshalb lehne ich die 1:12-Initiative ab.

 

Über pstaempfli

Unternehmer mit besonderem Interesse für Unternehmenskultur und Unternehmens- und Verbandskommunikation. Mitinhaber von Stämpfli Gruppe Bern: Auch bei Fokus Bern zu finden:
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7 Antworten zu 1:12 – auf den ersten Blick verlockend, auf den zweiten Blick fatal

  1. alphachamber schreibt:

    Exzellent. Es gibt allerdings noch mehr Gründe. Es ist auch irrational und unmoralisch. Vor allen Dingen, hat der Staat nichts zwischen Unternehmern und ihren Angestellten verloren.
    Nette Grüße

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    • Roger schreibt:

      Der Staat ist doch schon lange zwischen den Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Sei es durch das Arbeitsrecht oder andere Vorschriften. Was ist wohl unmoralischer? Gewisse Tiefstlöhne welche die Unternehmen bezahlen oder der Kampf für einen einigermaßen gerechten Lohnausgleich. Es gibt gute Gründe die gegen diese Initiative sprechen, die Moral ist es aber definitiv nicht.

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      • alphachamber schreibt:

        Danke für Ihre Antwort. Ich bin überrascht. Hier in der BRD will der Staat Mindestlöhne vorschreiben und er bestimmt schon wen und unter welchen Bedingungen man einstellen kann/darf/muss. und vieles ander mehr. Dass er das sich seit langer Zeit schon anmaßt ist nicht weniger verwerflich (weswegen ich 1975 ausgewandert bin).
        Es gibt in der Tat nichts unmoralischeres (gesellschaftlich) und un-Mensch-licheres, als zentral festgelegten Bedingungen für die Produktivität und Ambitionen eines Individuums. Am schlimmsten für die Wirtschaft ist es wohl wenn sich Unternehmer selbst altruistisch verhalten. Meine Meinung. Argumentiert in: http://liberalerfaschismus.wordpress.com/2013/03/09/mindestlohn-sozialer-killer/
        Nette Grüße

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  2. quappe schreibt:

    Die Gründe, die hier gegen die Initiative angeführt werden, halten aus meiner Sicht nicht durch. Von welchen weltweit umworbenen Spezialisten ist genau die Rede? Gut ausgebildete Mitarbeiter verdienen nicht mehr als 560’000 Franken. Chirurgen, Krebsforscher und Piloten verdienen weniger. Dass sich die „Topkräfte“ abwerben lassen könnten, bedeutet eigentlich: Manager und Banker. Sicher gehören auch noch weitere Leute dazu und für alle stimmt: Sie tragen Verantwortung. Aber Folgendes stimmt nicht: Sie verfügen über eine unvergleichliche Ausbildung und unschätzbares Humankapital. Das wissen die Inhaber der Firmen und diese werden nichts dagegen haben, den Bestverdienenden weniger Geld zu bezahlen — im Moment verhindern das Kartelle. Sie wissen, dass der Erfolg ihrer Firma nicht von von jenen abhängig ist, sondern von anderen Aspekten der Schweizer Wirtschaft.

    Dass solche Personen abgeworben werden könnten, sagt Herr Stämpfli, sei ein Risiko für unseren „Erfolgsausweis“. Das ist höhnisch. Unsere Wirtschaft funktioniert nicht wegen des Klimas, in dem „harte Arbeit“ belohnt wird. Der Erfolg unserer Wirtschaft hängt überwiegend mit der Geschichte der Schweiz zusammen: Dem Bankgeheimnis, das Steuerbetrüger schützt, der Unterstützung des Apartheid-Regimes in Südafrika, das der Schweiz über viele Jahre ein Monopol eingeräumt hat, und zum Teil sicher auch dem Nazigold. Ich will die Schweizer Wirtschaft nicht schlecht machen, aber das Bild, dass wir gegenüber unserer Konkurrenz nicht in Rückstand geraten dürften, ist naiv: Wir stechen durch Steuerwettbewerb, durch Infrastruktur, durch Bildungsangebot, durch stärkere Rechtssicherheit andere Volkswirtschaften längst aus, aber auch nicht immer auf sehr feine Art. Es ist nicht klar, weshalb wir das bei einer grösstmöglichen Ungleichheit innerhalb von Unternehmen auch so machen müssen.

    Ihr Argument ist ein Trittbrettfahrer-Argument. Nach diesem dürfte man auch nicht aus ökologischem Bewusstsein weniger Flugzeug fliegen, denn das Flugzeug fliegt ohnehin und man geriete gegenüber den anderen in einen Rückstand durch die auferlegte Hürde. Man dürfte nicht Steuern erhöhen und keine neue auf, sagen wir, Umweltverschmutzung erheben: Solange es nicht alle anderen Länder auch täten, wäre das gefährlich für unseren „Erfolgsausweis“. Ich halte ein solches Verhalten für feige. Es zeigt sich, dass hier kein wirtschaftliches Grundwissen angewandt wurde, denn: staatlich auferlegte Regeln gehören dazu und gestalten die Wirtschaft erst effizient.
    Eine Akkumulation von Kapital, wie wir es jetzt erleben, ist volkswirtschaftlicher Unsinn. Gerade das schadet allen.

    Vergessen Sie bitte auch diese zwei Punkte nicht:
    1. 1:12 ist kein Höchstlohn, sondern eine Lohnspanne.
    2. Wenn 1:12 ein zu enger Massstab ist, so sollte man das Parlament rügen, das darauf verzichtet hat, einen Gegenvorschlag einzureichen. Schliesslich denke ich, Herr Stämpfli, dass auch Sie im Allgemeinen zugeben würden, dass irgendein Mass an Ungleichheit existiert, das für alle schädlich ist. Wenn nicht, fehlt Ihrer Behauptung tatsächlich das volkswirtschaftliche Grundwissen.

    Für Interessierte: Hier habe ich vor langer Zeit einige 1:12-Gegenargumente kritisiert.

    Schlechte Argumente gegen die 1:12-Initiative

    Guter Gruss

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  3. Pingback: Warum ich für die 1:12-Initiative bin | Quappe und die Welt

  4. Pingback: Angry Sascha is angry.» Blog Archive » Eidgenössische Volksabstimmung vom 24. November 2013: Wenn es eigentlich um Lohndiskussionen geht, aber Unternehmen gemeint sind.

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