Leitartikel in “Die Marginalie”, Hauszeitschrift Stämpfli Gruppe, Nr. 2/2012. www.staempfli.com
Das ist ein Artikel für Social Media-Abstinente, geschrieben von einem 52-jährigen Vater dreier Kinder im Alter von 20, 18 und 15. «Habe via Facebook unserer Kinder gesehen, dass wir schon auf Deiner Seite sind. Danke.» Via Facebook der Kinder? Es fällt mir auf, wie viele Gleichaltrige sich mit Social Media, also Facebook, Twitter, YouTube etc., kaum auseinandersetzen. «Ich schon,» meinte kürzlich ein Mutter, «ich habe mich auf Facebook angemeldet, doch da werde ich sicher nichts hinschreiben, man weiss ja nie. Aber so kann ich sehen, was meine Töchter bewegt.» Das kommt mir vor, wie wenn jemand ein Auto kauft, ohne es fahren zu wollen.
Dank Twitter und Facebook, den Plattformen, die ich am häufigsten benutze, bin ich in politische Diskussionen eingebunden, die mir eine Bereicherung sind und durch die ich andere Haltungen besser verstehen lerne. Ich bin mit Politikern verbunden, die ich persönlich sonst kaum getroffen hätte. Ich kenne nicht alle meine «Freunde» persönlich und bin schon gar nicht mit allen einverstanden, aber ich lese ihre Meinungen und tausche mich mit ihnen aus. Durch die regelmässige Nutzung der Plattformen bin ich zu neuen Kontakten mit Journalisten gekommen, die ich später zum Gespräch getroffen habe. Ich konnte Beziehungen zu Kunden vertiefen, weil wir uns mit unserer persönlichen Meinung auf Facebook und Twitter begegnet sind. Auf Twitter erhalte ich die Breaking-News von den nationalen und internationalen Medien, die ich verfolgen will, vom «Bund» bis zur «Washington Post». Erstaunlich auch, wie viele gesellschaftlich relevante Themen auf Twitter angesprochen werden und ethisches Verhalten angemahnt wird. Bemerkenswert ist, dass ich nur mit einem unserer Kinder auf Facebook verbunden bin, die beiden anderen wollen mich nicht in Ihre Social-Media-Welt eintauchen lassen – gut so, sie sind wählerisch und wissen sich abzugrenzen. Nie hatte und habe ich das Gefühl, die Kommunikation über Social Media ersetze das persönliche Gespräch. Im Gegenteil ist sie ergänzend, bereichernd und oft Ausgangspunkt für mündliche Diskussionen.
Man mag über Social Media denken, was man will. Ob sich die heutigen Formen halten werden, weiss niemand. Der Nutzen lässt sich in Franken kaum bemessen, vieles ist Hype, viele Inhalte sind Quatsch – aber nicht alle. Fakt ist jedoch: Die Art der Kommunikation hat sich durch die mobilen Geräte und durch Social Media massiv verändert, sicher bei denen unter 30. Unsere junge Generation tauscht sich multimedial aus, ist auf verschiedenen Kanälen aktiv. Dabei ist wesentlich, dass die Digital Natives dies in einer Selbstverständlichkeit tun, die klar macht, dass sich das Rad auch in diesem Fall nicht zurückdrehen lässt. Ihnen sind Vernetzung, Gedankenaustausch und das Aufeinander-Zugehen selbstverständlicher als dies meiner Generation in die Wiege gelegt wurde. Wer sich dieser Selbstverständlichkeit, dieser vielschichtigen Kommunikationsformen verschliesst, wird über kurz oder lang feststellen, dass er mit seinen Kindern und Enkelkindern nur noch eingeschränkt kommunizieren kann. Es ist wie mit denjenigen, deren Gehör nachlässt: Wer sich zu spät eine Hörhilfe zulegt, wird einmal nicht mehr in der Lage sein, sich an Gesprächen zu beteiligen. Es lohnt sich, sich mit Social Media persönlich und aktiv auseinanderzusetzen und mitzumachen. Nicht weil dies unbedingt ein Vergnügen sein muss, sondern um zu begreifen, wie die vernetzte Kommunikation uns alle beeinflusst.
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