Kultur und Wirtschaft

Erschienen als Kolumne in der Berner Zeitung, 22.09.2012

Der Glaube an die Vormachtstellung der Ökonomie in der Gesellschaft fand in den 90er-Jahren den Durchbruch. Die finanzielle Rendite wurde zum vorherrschenden Massstab. Dieses Paradigma ist falsch. Gewinnorientiertes Handeln ist nicht das einzig Erfolg bringende, allerdings ist es für das Überleben eines Unternehmens unerlässlich. Was oft verwechselt wird: Gewinnorientierung und gutes Management sind nicht dasselbe. Die Grundsätze des Managements (Führung) gelten für alle Organisationen, also sowohl für Unternehmen wie auch für NGO, Vereine, Schulen und die Verwaltung. Ergänzend dazu sucht gewinnorientiertes Handeln den finanziellen Profit. Der Staat, die Schulen, kulturelle und soziale Institutionen müssen allerdings im Gegensatz zu Unternehmen nicht profitorientiert arbeiten, was sie nicht davon entbindet, mit dem Geld haushälterisch umzugehen.

Der Kern guten Managements ist die Resultatorientierung. Das Resultat, das eine Kulturinstitution erreichen muss, wird an der künstlerischen Leistung gemessen, an der Qualität von Ausstellungen und Aufführungen sowie an der Vermittlung von Kultur. Gemessen wird zudem, ob uns unbekannte, allenfalls neue kulturelle Leistungen so dargestellt werden, dass wir uns an ihnen reiben und weiterentwickeln können. Darüber hinaus von einer Kulturinstitution finanziellen Gewinn zu verlangen, zwingt diese zur Ausrichtung des Programms auf möglichst viele zahlende Besucher. Tut sie dies, wird Kultur zum Wirtschaftsunternehmen. Die Erfahrung lehrt, dass die Bevölkerung nur bereit ist, lediglich für populäre Kultur den Preis zu bezahlen, der einer Institution die finanzielle Eigenständigkeit erlaubt. Solches wird von einigen bürgerlichen Politikern immer wieder gefordert, mit dem Hinweis, dass Kultur, die nicht genügend nachgefragt wird, keine Berechtigung auf staatliche Unterstützung hat. Dieses Ansinnen ist falsch, wäre dies der Massstab, bekämen wir nur noch Mainstream zu sehen, was uns die privaten Fernsehsender in grotesker Ausprägung vorführen.

Kultur ist mehr als Unterhaltung. Sie ist einer der gesellschaftlichen Kerne, an denen wir den Blick schärfen, Haltungen hinterfragen und neue Erkenntnisse gewinnen, uns auch entspannen können. Eine Gesellschaft mit ausschliesslich privat finanzierten Kulturinstitutionen läuft Gefahr, von Vermögenden vereinnahmt zu werden, die, handeln sie nicht uneigennützig, das Programm bestimmen können – auch politisch. Das widerspricht einer liberalen Gesellschaftsordnung, die dafür einsteht, dass der Staat (Der Staat sind wir!) einen Rahmen finanziert, in dem die Kulturschaffenden politisch und künstlerisch unabhängig arbeiten können. Das Berner Modell der Leistungsverträge ist dafür ein Vorbild, es vereint künstlerische Freiheit im Rahmen staatlicher Vorgaben.

Kern des kulturellen Lebens ist die künstlerische Freiheit, die sich in einer hochzivilisierten Welt offen entfalten kann – und befreit ist, finanziellen Gewinn machen zu müssen. Aus eigenem Erleben und aus Studien wissen wir, dass ein reiches, künstlerisch unabhängiges Kulturangebot die Attraktivität eines Wirtschaftsstandorts massgebend mitprägt. Darin liegt der Grund, weshalb wir uns mit unserem Unternehmen, und ich mich persönlich, für die Kultur in Bern engagieren. «Der Lohn», den wir dafür erhalten, sind Aufführungen, Ausstellungen und Begegnungen, die uns bereichern.

Über pstaempfli

Unternehmer mit besonderem Interesse für Unternehmenskultur und Unternehmens- und Verbandskommunikation. Mitinhaber von Stämpfli Gruppe Bern: Auch bei Fokus Bern zu finden:
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5 Antworten zu Kultur und Wirtschaft

  1. Christian Pauli schreibt:

    Lieber Peter, mir gefällt, wie Du das Unternehmertum verstehst. Aber wo sind Deine Unternehmer-Kollegen, die diese kulturaffine Selbstdefinition teilen? Wenn es sie gibt, sind sie leider nicht wirklich spürbar – zumindest nicht in Bern. Aber ich lasse mich gerne eines Besseren belehren…

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  2. pstaempfli schreibt:

    Christian, es gibt etliche, die mehr oder weniger offen Unterstützung leisten. Zu nennen sind die namhaften Sponsoren der Institutionen, aber etliche, die im Kleinen mit Geld helfen. Ich engagiere mich persönlich, zurzeit im Stiftungsrat von KTB, und bin dadurch sichtbarer. Andere legen selber Hand an bei Sportvereinen oder sozialen Institutionen.
    Aber sicher ist es notwendig, wenn wesentlich mehr Menschen, nicht nur Unternehmer, Freiwilligenarbeit leisten. Was die Schweiz heute ist, wurde und wird wesentlich durch die Milizarbeit geprägt. Da dürfen wir nicht nachlassen, sonst erhalten wir einen Staat, der nur noch durch die Behörden gestaltet wird.
    Siehe dazu auch: https://peterstaempfli.wordpress.com/2011/12/10/warum-bern-unser-engagement-braucht

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    • Christian Pauli schreibt:

      Peter, ich weiss, dass es ein paar Berner Unternehmen gibt, die sich im grossen Stil kulturell engagieren, und viele, die das auch im Kleinen tun. Mir scheint aber das wirtschaftliche Engagement in Bern gegenüber der Kultur insgesamt sehr zurückhaltend und wenig mutig zu sein. Wenn dann mal was unterstützt wird, dann sicher keine Experimente oder neue Gefässe / Institutionen. Du weisst, ich finde, dass der Aufbruch des neuen KTB sehr wichtig ist für diese Kulturstadt. Aber wo ist die Wirtschaft, wenn es um eine Biennale geht oder um ein renommiertes Festival wie AUA? Oder zum Beispiel Shnit, das ein sehr erfolgreiches und internationales Festival ist: Jetzt ist Coop offenbar gross eingestiegen, und selbst an der Kasse kriegt mein nette Shnit-Kärtchen verabreicht. Unter Service Partner und Premium Partner sind auch noch Weiss+Appetito und Zumstein aufgeführt. Aber wo sind die Berner Firmen sonst?

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  3. pstaempfli schreibt:

    Eine genaue Übersicht fehlt. Neben einem mangelnden Engagement müsste auch untersucht werden, wie professionell die verschiedenen Kulturorganisatoren die Sponsorensuche betreiben. Mir fällt auf, wie zufällig Anfragen erfolgen und wie wenig kreativ sie sind. Ich glaube nämlich nicht, dass Berner Unternehmen für Neues oder gar Avantgardistisches nicht offen wären, nur wissen müsste man davon.

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    • Christian Pauli schreibt:

      Das wäre doch eine gute Diplomarbeit für einen Abschluss in Kulturmanagement! Ich gebe Dir übrigens recht: Die Sponsorensuche wird oft als lästiges Übel empfunden.

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