Zusammenhalt: Mehr als nur Englisch

Wer meint, es sei Ausdruck von Modernität, nur noch Englisch zu sprechen, verkennt, dass sich die Schweiz durch die Verbindung verschiedener Kultur- und Sprachräume unter einer Verfassung auszeichnet.

Das Klima ist tropisch, und die Dame am Mikrofon spricht in akzentfreiem Englisch. Wir sind nicht weit weg, sondern an den Schweizer Meisterschaften im Synchronschwimmen im Hallenbad Leimbach ZH. Die teilnehmenden Clubs stammen aus der ganzen Schweiz. Offenbar sieht man sich in Zürich nicht in der Lage, die Landessprachen zu sprechen, und weicht auf Englisch aus. Entlarvt wird diese Abkürzung, als Schwimmerinnen aufgefordert werden, einen bestimmten Teil des Bades zu verlassen.Das Englisch erreicht die jungen Frauen nicht.

Als Schüler stand ich mit der französischen Sprache auf Kriegsfuss, meine diesbezügliche Leistung an der Matur war ein Debakel. Doch später bereute ich nicht, die Grundlagen gelernt zu haben. Militärdienste in Bière und drei Jahre Technikum in Lausanne zwangen mich, die Sprache zumindest mündlich zu beherrschen. Ich habe dies nie bereut. Französisch, so eine Studie der FHNW, ist im Berufsalltag von Deutschschweizer Unternehmen die meistgesprochene Fremdsprache. Das erlebe ich genauso. Englisch ist ebenfalls wichtig, um beispielsweise die technologischen Entwicklungen verfolgen zu können. Französisch und Englisch sollten in der ganzen Deutschschweiz eine Selbstverständlichkeit sein, Englisch alleine reicht nicht aus.

Wer meint, es sei Ausdruck von Modernität, nur noch Englisch zu sprechen, verkennt, dass sich die Schweiz durch die Verbindung verschiedener Kultur- und Sprachräume unter einer Verfassung auszeichnet. Was anderen Ländern nicht gelingt, muss selbstverständlich bleiben: Die Gleichwertigkeit der kulturellen Räume, das friedliche Nebeneinander der Sprachen. Sprache ist bedeutender Teil einer Kultur. Eine Sprache hat Eigenarten, die sich bisweilen kaum übersetzen lassen, Feinheiten, die das Verhalten einer Sprachgemeinschaft spiegeln, Nuancen, die sich erst im Sprachgebrauch erschliessen. Diese Feinheiten zu lernen, ist bereichernd, aber nicht einfach. Noch schwieriger wird es, wenn sich Westschweizer und Deutschschweizer auf Englisch unterhalten und ihre Gedanken und das Gehörte übersetzen müssen. Bedeutsame Zwischentöne bleiben auf der Strecke, wenn zwischen drei Sprachen hin und her kombiniert werden muss.

Überfremdungsängste entstehen nicht zuletzt dadurch, dass der Fremde mir fremd bleibt, weil er eine Sprache spricht, die ich nicht verstehe und interpretieren kann. Wer sich nicht versteht, stösst sich ab. Wir verlangen daher von Migranten, dass sie unsere Sprache lernen. Aus derselben Überlegung ist es unabdingbar, dass wir zumindest eine weitere Sprache unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger, mit denen wir die Verfassung und den Freiheitswillen teilen, verstehen. Dass wir in den kulturellen Reichtum der anderen Sprachregionen eintauchen, ist kein Luxus, sondern Lebensgrundlage und Horizonterweiterung. Logisch wäre, alle Landessprachen zu lernen, was sich aber praktisch kaum umsetzen lässt. Aus Sicht der Deutschschweizer ist es bereits wertvoll, wenn Aufbau und Charakter zumindest einer romanischen Sprache gelernt wird. Für den Kanton Bern ist das Sprachenverständnis besonders wichtig. Wir haben eine Brückenfunktion zwischen der französisch- und deutschsprachigen Schweiz, die Verpflichtung und Chance zugleich ist. Auf dem Berner Märit oder in Courtelary mit französischsprachigen Schweizern Englisch sprechen zu müssen, wäre für mich ein Identitätsverlust ohnegleichen, parce que le français est devenu une part de moi-même.

Erschienen als Kolumne in der Berner Zeitung, 14.06.2014

Über pstaempfli

Unternehmer mit besonderem Interesse für Unternehmenskultur und Unternehmens- und Verbandskommunikation. Mitinhaber von Stämpfli Gruppe Bern: Auch bei Fokus Bern zu finden:
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