Berns sichtbare Hand

Eine erfolgreiche Volkswirtschaft stützt sich auf ein stabiles politisches System und auf eine gut aufgestellte, wirksame und verlässliche Verwaltung. Bern als Bundesstadt und als politisches Herz der Schweiz leistet diesen Beitrag gern. Die Funktion als politischer Taktgeber der Schweiz hat aus ökonomischer Sicht Vor- und Nachteile für Stadt und Kanton.

Das politische Herz der Schweiz

Für die gegenseitige Abhängigkeit von Staat und Wirtschaft gibt es viele Belege. Der Bundesstaat wäre 1848 kaum gegründet worden, wenn man nicht nur die Lösung der brennendsten politischen Fragen, sondern auch die Schaffung eines gemeinsamen Marktes im Auge gehabt hätte. Und die Schweiz hätte die jüngste Wirtschafts- und Finanzkrise ohne die Politik, die in Bern gemacht wird, nicht so bewältigen können, wie es nötig war. Ohne gezielte staatliche Regulationen würde unsere Volkswirtschaft heute schlechter dastehen. Bern ist das politische Herz unseres Landes. Es versorgt die ganze Schweiz mit Sauerstoff und stellt die Stabilität sicher. Jedes Land braucht eine Drehscheibe, wo – insbesondere auch für die Wirtschaft – solide und verlässliche Rahmenbedingungen gesetzt werden. Denn wo sie fehlen, siedeln sich auch keine Unternehmen an. Dieser Zusammenhang wurde im Raumkonzept Schweiz anerkannt: Die Hauptstadtregion als politisches Zentrum der Schweiz ist gleichwertig wie die Metropolitanräume Zürich, Basel und das Genferseebecken. In Bern tagt das Parlament, hier regiert der Bundesrat mit seiner Verwaltung und im Haus der Kantone bündeln die 26 Kantone ihre Interessen. Dazu kommen die unzähligen Verbände, die die Interessen ihrer Mitglieder im politischen Betrieb wahren. Bern ist der Hauptsitz von SBB, Post und Swisscom. Und die über 60 ausländischen Botschaften und internationalen Organisationen, wie beispielsweise der 1874 in Bern gegründete Weltpostverein, sind, wie die Bundesinstitutionen und die grossen öffentlichen Unternehmen, ein wesentlicher Teil der wirtschaftlichen Wertschöpfung. Davon profitiert eine ganze Region, die weit über den Kanton Bern hinaus reicht.

Hauptstadt schafft Wohlstand

Allmählich findet ein Umdenken statt, was Stellenwert und Funktion von Hauptstädten betrifft. Dass Hauptstädte eine wichtige Rolle für die Identität eines Landes spielen, ist unbestritten. Dass sie aber zunehmend eine Schlüsselrolle als vielfältig vernetzte Handlungsräume einnehmen, die Wohlstand schaffen, wird insbesondere in der Wirtschaft noch zu wenig anerkannt. In der Region Bern sind die zentralen Hauptstadtfunktionen der Bundesstadt konzentriert. Beratungsdienstleistungen für die öffentliche Verwaltung, ein umfangreiches Bildungsangebot im Public-Sektor-Bereich und viele wertschöpfende Interaktionen zwischen Politik, Verwaltung, Dienstleistungsfirmen oder Lobby-Büros befinden sich in unmittelbarer Nähe. Aber auch die Kantone Freiburg, Wallis, Solothurn und Neuenburg profitieren von der Hauptstadtfunktion. Sie leisten als Bildungs- und Freizeitorte wichtige Beiträge und sind eng mit Bern verbunden. Neuste wissenschaftliche Erkenntnisse der Forschungsgruppe von Prof. Dr. Heike Mayer an der Universität Bern zeigen, dass Bern seine Stärken als Politzentrum noch mehr in wirtschaftliche Dynamik umsetzen kann. Die Bundesstadt kann dabei von andern Hauptstädten wie Washington, Ottawa oder Wien lernen. So entsteht durch das Zusammenwirken und die Vernetzung der Akteure aus Politik, Verwaltung, von Nichtregierungsorganisationen, Verbänden und Lobbyisten ein spezifisches Wertschöpfungssystem. Zentral sind die Funktionen und Bezüge der Akteure untereinander, die prägend sind für den Wohlstandsgewinn des Politzentrums. Trotz oder vielmehr gerade wegen der Globalisierung und der zunehmenden Internationalisierung der Wirtschaft werden diese Politzentren immer wichtiger. Nicht nur die UBS wurde in Bern gerettet. So war es auch in Washington D.C. (und nicht in Detroit), wo die wichtigsten Entscheide zur Bewältigung der Krise in der amerikanischen Automobilindustrie getroffen wurden. Zudem wird die Welt immer komplexer. Experten (meist aus der Privatwirtschaft) werden vermehrt in politische Entscheidfindungsprozesse und bei der Umsetzung einbezogen. Bundesbern ist somit Informationsposten und Drehscheibe für eine Vielzahl von Entscheidungen, die für das Funktionieren unserer Volkswirtschaft grundlegend sind und deren Bedeutung stetig zunimmt.

Attraktive Rahmenbedingungen bereitstellen

Wie die Wirtschaftsmetropolen, müssen sich auch die Hauptstädte ständig weiterentwickeln. Stillstand geht nicht. Für jene, die es (ein)sehen wollen, ist Bundesbern längst keine „Beamten-stadt“ mehr. Allein die Tatsache, dass SBB, Post und Swisscom und der Weltpostverein aus steuerpolitischen Gründen für andere Standorte interessant werden, zwingt Bern zum Handeln.

Heute sind aus föderalistischen Gründen verschiedene Hauptstadtfunktionen der Schweiz auf die Regionen verteilt. Wirtschaftsverbände und Medien haben ihren Hauptsitz in Zürich. Eine De-zentralisierung der Hauptstadtfunktionen würde das Politzentrum in seiner Funktionsweise schwächen. Bern wird sich deshalb proaktiv gegen weitere Dezentralisierungswünsche zur Wehr setzen.

Gleichzeitig muss Bern nicht allein den Bundesinstitutionen attraktive Rahmenbedingungen be-reitstellen. Hauptstädte wie Washington D.C. oder Ottawa betreiben zum Beispiel eine zukunfts-orientierte Wirtschaftspolitik. Sie setzen nicht nur auf ihre Politfunktion. Sie stärken auch wis-sensbasierte Industrien, positionieren sich in internationalen und nationalen Netzwerken, betreiben Imagepflege und Standortpolitik.

Bern darf und wird nicht still stehen, sondern seine durch die Hauptstadtfunktion geprägten Rolle und Funktion bei den Informations- und Kommunikationstechnologien sowie in den Bereichen e-Government und Public Management weiter stärken. Die Voraussetzungen für eine proaktive und zukunftsorientierte Wirtschaftspolitik der Bundesstadt sind gegeben. Zusammen mit dem Kanton Zürich hat der Kanton Bern am meisten Arbeitsplätze in der Industrie. Der grösste Teil dieser Wertschöpfung wird in der Medizinaltechnik, im Cleantech-Bereich, im Metallbau oder in der Telekommunikations- und in der Präzisionsindustrie erbracht. Unser Politzentrum ist im nationalen und internationalen Standortwettbewerb gut aufgestellt.

Es muss aber noch mehr getan werden: Die hauptstadtspezifischen Kompetenzen sind weiter zu stärken und die unternehmerische Dynamik ist gezielt zu fördern. Gleichzeitig sollten die funktio-nalen Verflechtungen innerhalb sowie die Beiträge der Teilräume an die Region um die Bundesstadt besser genutzt und kommuniziert werden. Eine partnerschaftliche und koordinierte Zusammenarbeit aller beteiligten Akteure ist unabdingbar. Bern ist stolz darauf, Politzentrum zu sein. Aber es ist damit auch eine Verpflichtung eingegangen. Dazu gehören nicht nur das Schaffen guter Rahmenbedingungen für das wirtschaftliche Umfeld, sondern auch die wissenschaftliche Innovation und eine gute verkehrstechnische Erschliessung. Wenn Bern zum Beispiel für einen Ausbau des Hauptbahnhofes Bern oder für die Engpassbeseitigung auf dem Autobahnabschnitt zwischen dem Wankdorf und Muri kämpft, ist das nicht nur im eigenen, sondern immer auch im Interesse der Schweiz, damit das Ganze funktioniert. Berns politische Rolle als Wegbegleiter und Türöffner für die Wirtschaft hat auch eine Kehrseite: Die Verwaltung generiert weniger Steuersubstrat als die Wirtschaftsmetropolen, die Würde bringt also auch Bürde: So nehmen steuerbefreiten Bundesbetriebe an bester Lage Raum ein, der anderswo durch potente Unternehmen gehalten würde. Man stelle sich die Steuereinnahmen des Kantons Bern vor, wenn der Bernerhof nicht das Finanzdepartement des Bundes beherbergen würde, sondern den Hauptsitz von Nestlé, Novartis oder CS.

Für ein starkes Bern

Die territoriale Ausdehnung Berns reichte einst vom Genfersee bis weit in den heutigen Kanton Aargau hinein. Den Schlössern Nyon und Lenzburg ist gemeinsam, dass das Berner Wappentier, der Bär, deren Mauern ziert. Vor einem halben Jahrtausend wurde dank der raumgreifenden Politik Berns früh der Grundstein dafür gelegt, dass heute der Wirtschaftsmotor am Genferseebecken in der Schweiz und nicht in Frankreich brummt Seit 1848 leistet der zweisprachige Brückenkanton Bern – nicht nur als Politzentrum, sondern auch als Industrie-, Bildungs-, Forschungs- und Kulturkanton – einen wichtigen Beitrag für den inneren Zusammenhalt unseres Landes. Und die Bundesstadt ist heute Dreh- und Angelpunkt einer Grossregion, in der das Arbeits-, Wohn-, Mobilitäts- und Freizeitverhalten der Bürgerinnen und Bürger keinerlei Rücksicht mehr nimmt auf Kantons- und Gemeindegrenzen. Da kommen ganz neue Herausforderungen auf uns zu. Zusammen mit Zürich spielt Bern eine Pionierrolle bei Ausgestalten dieser sich herausbildenden funktionalen Handlungsräume.

Zur Stärkung der Grossregion um Bern wurde am 2. Dezember 2010 die Hauptstadtregion Schweiz gegründet. Sie besteht aktuell aus den Kantonen Bern, Solothurn, Freiburg, Neuenburg und Wallis, 12 Städten und Gemeinden sowie 8 Regionen und Gemeindegruppen. Damit hat Bern wichtige Bündnispartner gefunden, die gemeinsam für die Anliegen dieser Region kämpfen wollen .

Fazit

Der Kanton Bern leistet mit der Bundesstadt seit langem einen eminent wichtigen Beitrag, damit sich die Schweiz politisch und wirtschaftlich zu einem grösseren Ganzen weiterentwickeln kann. Berns Hand ist und bleibt sichtbar.

Dieser Artikel ist erschienen in „PRIVATE, Das Geldmagazin“, Nr. 3/2014. Besten Dank an Dr. Norbert Bernhard, dass er hier noch einmal publiziert werden kann.

Über pstaempfli

Unternehmer mit besonderem Interesse für Unternehmenskultur und Unternehmens- und Verbandskommunikation. Mitinhaber von Stämpfli Gruppe Bern: Auch bei Fokus Bern zu finden:
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