Was wollen wir?

Erschienen in der Berner Zeitung als Kolumne am 1. Juni 2013
 

Was den Menschen vom Tier am ehesten unterscheidet, ist sein Bewusstsein für Zeit und Raum, die er beide gestalten kann. Der aufgeklärte Mensch ist ein planendes Wesen. Auch wenn unsere Erfahrungen aus der Vergangenheit stammen und wir sie in der Gegenwart anwenden, so schauen wir doch in die Zukunft, stecken uns die Ziele, die wir erreichen wollen, und versuchen die Unwegsamkeiten abzuschätzen. In den Unternehmen erarbeiten wir Strategien und analysieren die Risiken. Manch eine oder einer tut dies auch privat als Familien- oder Karriereplanung.

Jede Strategie sei nur so viel Wert, wie das Papier, auf dem sie stehe, meint der Volksmund, doch dieser irrt. Eine Strategie trifft zwar selten genauso ein, wie sie beschrieben wurde, was aber nicht der entscheidende Punkt ist. Entscheidend ist, dass vorausgedacht wird, wohin man kommen will, also welche Ziele erreicht werden sollen, und wie dies zu bewerkstelligen ist. Nur so können später die Abweichungen festgestellt und korrigiert werden, nur so können viele Menschen bewogen werden, gemeinsam auf ein Ziel zuzusteuern. Wer plant, wird von Überraschungen weniger auf dem linken Fuss erwischt. Offensichtlich wird dies im Beispiel einer Seilschaft, die sich ein Ziel und einen Weg vornimmt, wissend, dass die äusseren Einflüsse oder eine Schwäche eines Mitglieds zur Kursänderung zwingen können. Wer zusammen mit anderen etwas erreichen will, ist zudem gut beraten, die Ziele und die Vorgehensweise in der Gruppe abzusprechen.

Solcher Art von Denken und Handeln ist der bernischen Politik fremd. Das politische Handeln zeichnet sich allzu oft durch instinktives Tun, Rudelbildung und Revierverteidigung aus. Es ist geprägt durch den Röhrenblick der Regionen, der Interessengruppen und Parteien. Sie alle haben Anliegen, wenige haben langfristige Ziele. Eine gemeinsame, verbindliche und übergeordnete Strategie, die alle Regionen und Themengebiete umfasst, und zumindest von der Mehrheit im Grossen Rat getragen wird, besteht nicht. Es gibt zwar eine Wirtschaftsstrategie, zum Beispiel. Wer aber trägt die schon durch die Jahre, ausser dem dafür verantwortlichen Regierungsrat und seinen Mitarbeitenden? Es bestehen Konzepte, Richtlinien und Budgets; sie sind gegenseitig kaum verwoben und werden, je nach Interessenlage, mehr oder weniger zielgerichtet umgesetzt.

Im Parlament stehen jetzt grosse Spardebatten an, verteilt über verschiedene Themengebiete und Direktionen. Aufgrund welcher gemeinsamer Vorstellungen wird argumentiert und entschieden werden? Übereinstimmung gibt es nur darin, dass der Kanton weniger Geld einnimmt, als er ausgibt – eine wichtige Erkenntnis, die jedoch für eine qualitativ sinnvolle Spardiskussion nicht ausreicht. Wie will man die führen, wenn nicht klar ist, was der Grosse Rat und der Regierungsrat für das Wohl unseres Kantons gemeinsam langfristig erreichen wollen?

Wie soll unser Kanton in fünfzehn Jahren aussehen? Welche Bedeutung haben die einzelnen Regionen? Wohin muss sich die Wirtschaft im Kanton entwickeln? Welche Sozialleistungen sind nötig? Welchen Stellenwert haben das Bildungswesen und die Forschung? Wohin geht die Reise im Gesundheitswesen? Welche Bedeutung hat die Kulturpflege und -förderung? Welche Infrastruktur benötigen wir? Und wie wird das alles sinnvoll miteinander verknüpft? Welche uns zur Verfügung stehenden Gelder sollen für was eingesetzt werden? Die Beantwortung benötigt Zeit und vor allem den Willen, die Einzelinteressen hinten anzustellen. Dazu ist es noch nicht zu spät.

Über pstaempfli

Unternehmer mit besonderem Interesse für Unternehmenskultur und Unternehmens- und Verbandskommunikation. Mitinhaber von Stämpfli Gruppe Bern: Auch bei Fokus Bern zu finden:
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