Die dahinter ohne Willen

Erschienen als Kolumne in der Berner Zeitung am 24.08.2013. Hier leicht ergänzt um den Text in dieser Farbe.
 

Die dahinter ohne Willen sitzen in Vorständen, Verwaltungsräten, Stiftungsräten und Parlamenten. Sie tragen Verantwortung, ohne sie wahrzunehmen. Sie haben sich wählen lassen, tun aber nichts oder zu wenig, und dies ohne jede Konsequenz für sie selber. Beispielhaft erkennen wir Vertreter von ihnen in den Leitungsgremien einiger Berner Kulturinstitutionen. Die dahinter ohne Willen sitzen aber auch in Verwaltungsräten von Unternehmen und lassen grobe Fehlentscheide, überrissene Saläre und bisweilen Betrug zu. Man weiss kaum, dass es sie gibt, und sie haben ihre Verantwortung längstens abgeschoben, wenn sie überhaupt wissen, was Verantwortung ist. Die Meister unter denjenigen dahinter ohne Willen geben sich so eloquent, dass der Eindruck entsteht, sie würden tatsächlich etwas bewegen, was aber bei genauerem Hinsehen nicht der Fall ist. Eine besonders lästige Form derer dahinter ohne Willen sind die, die sich, oft politisch, äussern, ohne geklärt zu haben, wie die Dinge wirklich stehen. Sie werden laut, ohne Differenzierung, sie fordern, ohne je Verantwortung übernehmen zu müssen. Und sie sind überzeugt, einen wertvollen Beitrag zu leisten. 

 

Alle die dahinter wurden gewählt im Vertrauen, dass sie mittragen und mitentscheiden, um Positives zu erreichen. Sie stehen als Vorstände von Kulturinstitutionen in der Verantwortung gegenüber den Bürgern und als Verwaltungsräte gegenüber den Kapitalgebern und Kunden. Alle stehen sie in der Verantwortung gegenüber ihren Mitarbeitenden und der Gesellschaft. Diejenigen unter denen dahinter ohne Willen, die dies erkennen, sichern sich gegen alles und jedes ab, in der Angst, sie könnten zur Verantwortung gezogen werden.

Eine weitere Gruppe derer dahinter ohne Willen sitzt auf der Zuschauertribüne des Lebens. Sie gehen kaum an die Urnen, hören weg, wenn es in der Nachbarschaft Schwierigkeiten gibt, und wollen nie etwas gesehen haben. Sie schieben Verantwortung schon mal grundsätzlich auf andere ab. Es sind die, die es schon immer gewusst haben und reflexartig nach dem Staat rufen. Unter den Befürwortern der 1:12-Initiative finden wir sie gehäuft. Dazu eine Rückblende: Vor über 100 Jahren bildeten sich Gewerkschaften, um Arbeitnehmende vor den Übergriffen ihrer Arbeitgeber zu schützen und bessere Bedingungen zu erkämpfen. Dies gehört heute noch zu den Aufgaben der Gewerkschaften, die in einer unvollkommenen Welt ein Gegengewicht zu den Arbeitgeberverbänden sind. Die Schweiz hat damit beste Erfahrungen gemacht, was sich im sozialen Frieden ausdrückt. Doch das Interesse der Arbeitnehmenden an den Gewerkschaften hat mit steigendem Wohlstand nachgelassen. Einfacher, als selber zu handeln, ist es, dem Staat die Aufgabe zu übertragen, die private Befindlichkeit zu verbessern. Die 1:12-Initiative ist typisch dafür.

Mitarbeitende, die sich benachteiligt fühlen und die Löhne ihrer Chefs inakzeptabel finden, sollen entweder das Unternehmen wechseln oder sich zusammentun und dagegen angehen. Und wer sich dies nicht zutraut, kann sich gewerkschaftlich betätigen. So zu handeln heisst für mich Verantwortung übernehmen. Selber dafür einstehen, dass die Dinge sich wie gewünscht verändern.Die Annahme der Initiative wird dazu führen, dass die unteren Löhne nicht steigen, aber die Steuereinnahmen sinken. Wenn dies eintrifft, haben die dahinter ohne Willen schon immer gewusst, wer schuldig ist. Denn in dem Masse, in dem sie die Verantwortung auf andere abschieben, können sie diese als Schuldige bezeichnen.

Über pstaempfli

Unternehmer mit besonderem Interesse für Unternehmenskultur und Unternehmens- und Verbandskommunikation. Mitinhaber von Stämpfli Gruppe Bern: Auch bei Fokus Bern zu finden:
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Eine Antwort zu Die dahinter ohne Willen

  1. Anna Staempfli schreibt:

    Danke für den klaren Abstimmungstyp! M

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