Der diffuse Unmut gegen „die Wirtschaft“ hat einen politischen Markt gefunden. Mit geballtem Einsatz demokratischer Instrumente werden Zeichen gegen punktuelle Missbräuche gesetzt. Die Folgen treffen alle Unternehmen kollektiv. Das ist riskant für die Schweiz. Mehr Dialog zwischen Wirtschaft und Gesellschaft ist deshalb nötig. Dieser muss über die Frontstellung in Abstimmungskämpfen hinausgehen.
Etwas ist anders als bisher. Die serienweise abgefeuerten (aber erst zum Teil gelandeten) Volksinitiativen sind kein Zufall. Sie sind eine Reaktion. Von der Abzocker-Initiative und dem 1:12-Salärdeckel über den Mindestlohn und die Erbschaftssteuer bis zum bedingungslosen Grundeinkommen wurden und werden flächendeckende Vorschriften zur Einschränkung der Wirtschaft oder für (noch mehr) Umverteilung gefordert. Die Folgen treffen blindlings alle. Die Beweggründe für solche Anliegen sind verschieden. Sie gehen von grundsätzlich anderen Staatsverständnissen über aufgestauten Groll bis zum Bedürfnis, einer entrückten Elite die gelbe Karte zu zeigen. Was zu kurz kommt ist eine vertiefte Reflexion darüber, was Eingriffe in die Wirtschaftsfreiheit und international einzigartige Erschwernisse für das Funktionieren der Wirtschaft und letztlich für den Wohlstand aller bedeuten. Zurück bleibt eine zunehmende Verschärfung des Diskurses, der anhand von radikalen Einzelvorstössen geführt wird. Darunter leidet der Blick für das Ganze.
Einfluss nehmen, wo man keinen hat
Dem Staat wird mehr vertraut als der Wirtschaft– warum eigentlich? Die politische Governance geniesst recht viel Goodwill. Und wer mit ihr nicht zufrieden ist, kann bei Wahlen und Abstimmungen die Bremse ziehen. Man ist der Politik also nicht wehrlos ausgeliefert. Die wirtschaftliche Governance hingegen hat trotz grossem Erfolg im schwierigen internationalen Umfeld viel Rückhalt verloren. Einzelne Exzesse haben „die Wirtschaft“ zum pauschalen Sündenbock gemacht. Die Folge: dem Markt wird (anders als dem Staat) grundsätzlich misstraut. Obwohl ein Blick auf Europa und auf die USA zeigt, dass Fehlentwicklungen häufig politische Ursachen haben. Die plakativen Sündenfälle von Managern überblenden jedoch leicht die viel schwieriger erkennbaren politischen Weichenstellungen am Anfang der Wirkungskette. Der wirtschaftlichen Governance ist man stärker ausgeliefert, als der politischen. Hier gibt es keine mit den Volksrechten vergleichbare plebiszitäre Bremse. Direkter Einfluss ist höchstens über die Aktionärsrechte möglich. Als Blitzableiter bleiben Proteste und die politischen Instrumente übrig. So werden Signale an die Wirtschaft vermehrt auf dem Umweg über die Demokratie gesetzt. Selbst extreme Verbote stossen dabei auf viel Grundsympathie, auch wenn deren Folgen unabsehbar sind.
Wirtschaftskommunikation nicht der Politik überlassen
Das Gros der Unternehmer verdient zweifellos Vertrauen. Sonst wäre die Schweiz nicht so erfolgreich und es ginge uns nicht so gut. Dennoch ist verlockend, einzelne Entgleisungen aufs Ganze hochzurechnen und daraus Verfassungsfesseln abzuleiten. Im gegenwärtigen Klima zahlt sich das aus. So ist das Misstrauen gegenüber der Wirtschaft bei wachsenden Bevölkerungsteilen eine Tatsache, die man nicht wegreden kann. Auf der anderen Seite geht den Initiativen zunehmend der Wirklichkeitssinn ab; die Forderungen werden immer mehr zugespitzt, die Folgen bedrohlicher und unverantwortlicher. Dennoch nützt nichts, Emotionen mit rein rationalen Argumenten zu kontern. Es nützt ohnehin wenig, allein Recht zu haben. Deshalb kann kein Rezept für die Zukunft sein, die Spirale vollends ins Unversöhnliche drehen zu lassen. Noch mehr Kampagnen-Intensität als bei der anstehenden Initiativen-Flut stumpft ab. Abgesehen davon wäre dies auf Dauer auch finanziell und personell nicht verkraftbar. Also muss entweder über die Instrumente (Volksrechte) oder über die Art des Dialogs zwischen Wirtschaft und Volk nachgedacht werden. An dieser Stelle geht es nur um das Zweite, also um die einfachere und leichter lösbare Hälfte des Problems. Die Beziehung zwischen Wirtschaft und Bevölkerung muss mehr sein, als ein Kampfdiskurs vor Abstimmungen. Im Schlaghagel kommt das Wichtigste zu kurz, nämlich der regelmässige und respektvolle Austausch zwischen den Verantwortungsträgern in wirtschaftlichen Führungspositionen und allen, die sich für das Funktionieren der Wirtschaft interessieren. Die Bedeutung der grundlegenden wirtschaftlichen Erfolgsfaktoren für die Gesellschaft, den Wohlstand und den Staat ist essenziell. Dabei geht es nicht um blinde Zustimmung – es geht um das Verstehen der Zusammenhänge, um mehr Transparenz, um den Stil und um die Ernsthaftigkeit anstelle der zunehmenden Entfremdung. Das ergibt sich nicht von selber, sondern erfordert ein aktives Engagement auf den Chefetagen. Wirtschaftsthemen müssen allgemein zugänglich werden, die Chefs gesellschaftlich spürbarer, die Verantwortung wertebezogener. Mit anderen Worten: die Auseinandersetzung mit wirtschaftspolitischen Fragen sollte nicht auf Abstimmungskämpfe und Wirtschaftsseiten beschränkt werden. Sie muss vermehrt direkt stattfinden – losgelöst von der Alltagspolitik und zwischen allen Akteuren. Da gehört die Politik dazu, aber eben nicht nur die Politik – denn der Zustand der Wirtschaft betrifft alle. Das bringt allen Seiten mehr, als ein permanentes Kampagnenwettrüsten mit Parolen, die letztlich an den Anliegen aller vorbeizielen.