Wir stellen unser Licht unter den Scheffel, daher sei es erneut gesagt: Der Kanton Bern hat Stärken, wie die bedeutende Wirtschaftskraft der Region Bern, die Vielfalt innovativer Unternehmen im ganzen Kanton, der hohe Ausbildungsstand, das medizinische Wissen, eine Landwirtschaft mit Potenzial. Wir haben den höchsten Lebenswert, der wie das bedeutende Kulturangebot auch für die Wirtschaft wichtig ist. Und noch einiges mehr.
Das alles aber reicht nicht. Wir leben über unsere Verhältnisse. Quer durch alle Schichten, Berufe und Parteien gibt man sich mit dem Bestehenden immer noch zufrieden. Der Blick auf unsere Nachteile ist notwendiger denn je und kann nicht nüchtern genug ausfallen.
Berns Steuerbelastung liegt am Ende der Rangliste. Erhalten wir dafür mehr als in anderen Kantonen? Die Arbeitsplatzzahl wächst unterdurchschnittlich. Noch ungenügender wächst die Bevölkerungszahl. Bern ist so gut erschlossen, dass zu viele hierher zur Arbeit pendeln. Weshalb mit der Familie von den steuergünstigeren Kantonen Freiburg, Solothurn oder Aargau nach Bern ziehen, wenn die Fahrtzeit vernachlässigbar ist?
Die heutige Steuerbelastung ist eine Bedrohung. Gelingt es nicht, sie zumindest ins Mittelfeld zu bringen, werden wir immer mehr den Einnahmen nachrennen. Eine auch nur vorübergehende Erhöhung der Steuern wäre fatal und träfe ganz besonders auch den Mittelstand. Die Ausgaben des Kantons liegen im Schweizer Durchschnitt. Das ist ungenügend, da wir trotz hoher Steuerbelastung und Finanzausgleich mehr ausgeben als einnehmen. Der Regierungsrat und der Grosse Rat müssen deshalb ein Sparziel von über einer Milliarde angehen.
Umdenken ist gefragt. Leistungsgebiete müssen aufgegeben werden. Dabei muss man nicht bei den Schwächsten beginnen, es gibt genügend Spielraum andernorts, auch in der Verwaltung. Deren Kosten sind im schweizweiten Vergleich tief. Das ist erfreulich. Doch wenn Leistungsgebiete abgebaut werden, muss dies auch personelle Folgen in der Verwaltung haben.
Umdenken bedeutet, Strategien zu entwickeln, die von allen Regierungsparteien getragen werden und aus denen ersichtlich wird, wo gespart und wo investiert werden muss. Nur sparen genügt nicht. Zum Beispiel, dass das Emmental und der Oberaargau die Wirtschaftsstrassen erhalten, aber der heute übliche Standard nicht für jede Kantonsstrasse nötig ist; dass der Anteil des Oberlandes an der touristischen Wertschöpfung zu tief und ein Aufbruch notwendig ist; dass die Landwirte Rahmenbedingungen brauchen, die eine unternehmerische Führung ihrer Höfe ermöglichen, dass aber die Teilzeitbauern nicht mehr geschützt werden; dass bei der Spitalplanung im Saanenland das Spital von Rougemont VD einbezogen wird; dass den Gemeinden nicht um jeden Preis das finanzielle Überleben gesichert wird; dass Gemeindefusionen Chancen für sinnvolle Zonenpläne eröffnen, auch in der Agglomeration Bern. Und vieles mehr.
Erwachen, aufstehen! Schluss damit, ohne Strategien herumzusparen. Um diese zu finden, ist tabulos alles zu hinterfragen, von «Kunst am Bau» bis zur «Sozialindustrie». Schluss mit sich nur wohlfühlen und auf andere warten, die «es schon richten werden». Wir alle müssen erkennen, dass es so nicht weitergehen kann, dass Einschnitte nötig sind, dass jetzt und in Zukunft massiv mehr Eigeninitiative gefragt ist, mehr Eigeninitiative und weniger staatliche Unterstützung. Im Kanton Bern haben wir etliche Chancen. Schlafend verpassen wir sie.
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